Rallye Monte Carlo und Audi Quattro
Walter Röhrl bezwingt nochmal den Col de Turini

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Legendäre Kombination: Rallye Monte Carlo, Audi Quattro und Walter Röhrl. Der lange Regensburger bezwang in dem Allradler noch einmal den Pass der Pässe, den Col de Turini - inklusive Schleudewende.

30 Jahre Audi quattro
Foto: Stefan Warter

Als sie unten stehen am Fuß des Turini, Röhrl und sein Co Geistdörfer, da ist eh alles egal. Der Wind fegt über den Pass, scharf wie die langen Messer, die dieser letzten Nacht den Namen geben, und was als Sonderprüfung vor ihnen liegt, ist was zigfach hinter ihnen liegt: trockener Asphalt, nasser Asphalt, Eis, Schneematsch, gefrorener Schneematsch, dann Schnee bis zum Gipfel und runterwärts wieder alles in umgekehrter Reihenfolge.

1980 debütiert der Audi Quattro in Genf

Rallye Monte Carlo 1984, erster Einsatz mit dem Audi Quattro für Walter Röhrl. Er fährt "fehlerhaft und unzureichend", wie er sagt. Eine Einschätzung, die sich für Außenstehende nicht ganz mit seinem Sensationssieg in Einklang bringen lässt - mit seinem früheren Perfektionswahn schon. Ein Gruppe B-Auto hier fehlerlos zu fahren, ist etwa so anspruchsvoll wie 100 weiße Blätter mit der freien Hand in einen Block Millimeterpapier zu verwandeln. Röhrl würde sagen, er habe Pfusch abgeliefert, wenn auch nur das Planquadrätchen 6.953 auf Seite 37 leicht verzogen wäre. Wären zwei weitere Quadrate schief, würde er sich den größten Deppen auf dem Erdboden schelten.

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Wenn man sich den Walter Röhrl von 1984 so vorstellt, versteht man, warum er sich damals nicht recht über den Sieg freuen konnte. Heute kann er es, als er wieder auf dem Col de Turini steht mit seinem Quattro A2. 1980 debütiert das Serienmodell auf dem Genfer Salon, revolutioniert mit seinem Allradantrieb erst die Sportwagenwelt, ab 1981 die Rallye-WM. Der A2 ist eine Evolution des Rallye Quattro - mit Alu-Zylinderkopf und Kevlar-Kotflügeln in die Gruppe B heruntergehungert. Fünf Zylinder, 2.110 cm³, 360 Turbo-PS, 450 Nm, nullhundert in vierzwei, permanenter Allradantrieb, starrer Durchtrieb, darüber die Coupé-Kulisse in HB-Gelb-Rot-Weiß.

"Ein Auto muss so stark sein, dass du Angst hast, wennst drauf zugehst", sagt Röhrl und grinst den Geburtstags-Quattro an. Nun könnte man feststellen, das Jubiläum habe nichts mit dem Monte-Sieg zu tun, was aber kleinlich und langweilig wäre. Denn obwohl die gemeinsame Zeit für beide nicht die erfolgreichste war, gehören Röhrl und Quattro in unserer verklärten Erinnerung zusammen wie Ernie und Bert.

Für den Audi Quattro muss Röhrl das Fahren neu lernen

Ende 1983 merkt Audi, dass es billiger und netter ist, mit Röhrl zu gewinnen als weiter gegen ihn zu verlieren und verpflichtet den Doppel-Weltmeister. Der bleibt bis zum Ausstieg 1987. Damit Quattro und Röhrl wieder zusammen über den Turini toben können, zirkulierten höfliche Briefe zwischen Ingolstadt und Zuffenhausen. Deren Inhalt darf man sich wohl so vorstellen: Ob man den Herrn Röhrl - mit aller Rücksicht darauf, dass er seit 1993 Porsche-Markenbotschafter ist - für die Festivität ausleihen dürfe, jetzt, da man quasi eine große, glückliche Familie sei, fragt Ingolstadt. Selbstredend, antwortet Zuffenhausen, und ja, so etwas wie eine Familie sei man nun wohl.

Also trägt Röhrl einen Porsche-Overall, als er vom Audi erzählt. Die größte Herausforderung seiner Karriere sei der gewesen. Für ihn muss er das Fahren neu lernen. Der starre Durchtrieb erzeugt enorme Traktion, doch Einlenken mag das Coupé so nicht. Was auf der Monte, wo die Streckenführung von oben aussieht, als sei ein Teller Spaghetti auf den Boden gefallen, doch zur Belastung werden kann. Röhrl trainiert, fetzt nachts mit dem Audi durch bayerische Wälder, nimmt Nachhilfe bei Teamkollege Stig Blomquist, bis er die Sache mit dem Linksbremsen nach eigenem Dafürhalten einigermaßen draufhat und den Quattro zum Einlenken bringt.

"Jetzt konnt ichs nach zehn Minuten wieder", sagt er und lädt zur Beifahrt im Rallye-Quattro, der außen fragil und schmal ausschaut, innen heimelig wie ein Umspannwerk. "Lustig ists, wennst a gsperrte Straßn hast und a bisserl Eis", lächelt Röhrl, weil es demnach sehr lustig werden dürfte.

Röhrl und der Quattro sind auf dem Gipfel

Der Audi bollert sacht bergab über Schnee und mehr als ein bisschen Eis. Wendepunkt. Röhrl startet seine Stoppuhr. Vollgas. Der Turbo sammelt sich - zweiundzwanzig, dreiundzwahaha -, der Quattro schießt voran wie ein Puck, den ein Hockeyspieler übers Eis drischt. Zweiter Gang, dritter. Röhrl ist mit den Füßen auf den Pedalen schneller als jeder Hütchenspieler mit den Fingern.

Haarnadel, die orangefarbene Lampe leuchtet kurz, weil der Öldruck sinkt. Mit Vollgas in die lange Rechts. Plötzlich streckt der Berg einen Zipfel von sich auf die Straße. Das kann nicht gutgehen, da bleibt was hängen - ein Scheinwerfer, ein Kotflügel, ein Beifahrer. Der Weltmeister zupft nur sanft am Steuer, und der Quattro röhrlt weiter den Pass hoch, über die Kuppe auf das Plateau des Col de Turini. Schleuderwende. Die Zeit: 2,20 min, Maximaltempo 135 km/h. Röhrl und der Quattro sind auf dem Gipfel. Noch immer.