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Der Jura Laufhund

 


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Der Jura Laufhund
Von Sabine Middelhaufe

Der Jura Laufhund ist eine der vier Varietäten des Schweizer Laufhundes, die sich nur in der Farbe deutlich voneinander unterscheiden und deshalb in einem einzigen FCI Standard zusammengefaßt werden. Ihre Rückenhöhe beträgt je nach Geschlecht zwischen 47 und 59 cm, bei einem Gewicht von maximal 20 kg. Neben dem Jura gibt es noch die Varietäten Berner, Luzerner und Schwyzer; der ursprünglich fünfte Schlag, Thurgauer genannt, gilt seit etwa 100 Jahren als ausgestorben.
Den heutigen Schweizer Laufhunden ist gemeinsam, dass sie als ausdauernde, verlässlich spurlaute Bracken mit ausserordentlich feiner Nase für die Jagd auf Fuchs, Hase, Reh oder Sau auch im schwierigsten Gelände gezüchtet und eingesetzt werden.
Laufhunde der oben genannten Schläge gab es im Gebiet der heutigen Schweiz so oder ähnlich schon zu Zeiten der Römer, das belegen Funde, und vergleicht man sie mit den Bracken der direkten Nachbarländer, kann kein Zweifel an einem ihnen allen gemeinsamen Vorfahren bestehen, der Keltenbracke nämlich (Canis familiaris Linné bracco celticus), so bezeichnet, weil der keltische Stamm der Gallier aber ebenso die westlichen Helvetier, die Vorfahren der Schweizer also, sie schufen.

7 Monate alte Jura Laufhündin. Titelbild: Uranio.

Bracco celticus, oft auch als "Bracke des Westens" betitelt, war freilich nicht nur der Stammvater jener Laufhunde, die in seinem Ursprungsgebiet, Frankreich und Schweiz, entstanden, sondern er trug auch in anderen Ländern zur Geburt neuer Brackenrassen bei, etwa in Norditalien, in Nordspanien, in England, Deutschland, Litauen und Polen.
Was die Keltenbracke und ihre Nachfahren schon äusserlich von anderen Laufhundetypen unterschied waren die extrem langen, gefalteten und leicht gedrehten Behänge, die sich bei vielen modernen Rassen erhalten haben, so auch beim Jura Laufhund.
Eine weitere Charakteristik betraf den Jagdlaut. Nicht zufällig sprechen die Schweizer ganz spezifisch vom "Jura-Heuler" oder den Hurleur-Lauten wenn sie den typischen Doppellaut des jagenden Laufhundes meinen.
Wie überaus wichtig das "Geläut" der Bracken den Liebhabern der Jagd einst war, wird vielleicht aus den unzähligen, leidenschaftlichen Versuchen von Dichtern und Jagdautoren seit der Antike ersichtlich, die vielstimmige Melodie der Meute in Worte zu fassen oder musiktheoretisch zu analysieren. Denn Bracken bellen eben nicht, sie singen!

Jura Meute bei der Saujagd.

Schon im 15. Jahrhundert genossen die Schweizer Laufhunde enorme Wertschätzung und wurden wegen ihrer unübertrefflichen Leistungen bei der Hasenjagd nach Italien importiert.
Rund 300 Jahre später begannen auch die Franzosen diese Hunde gezielt aus dem Nachbarland einzuführen, und mit Gewissheit trug dies in beiden Fällen auch zur Verpaarung einheimischer Hunde mit den schweizer Importen bei. Allerdings wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Laufhunde in der Schweiz ihrerseits eine periodische Genzufuhr durch französische und vielleicht italienische Bracken erhielten, die von Söldnern mitgebracht wurden, und so festigte sich mehr und mehr die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Luzerner und Petit Bleu de Gascogne, Berner und Ariégeois, Schwyzer und Francais Blanc et Orange sowie Jura und schwarz-rotem Segugio Italiano.
Die Geschichte des Jura Laufhundes ist angesichts des gemeinsamen Ursprungs natürlich oft untrennbar mit jener der übrigen Varietäten verbunden. Was ihn von den anderen Schlägen freilich unterscheidet ist zum Einen seine Heimatregion: das Jura Gebirge nämlich, das im schweizerisch-französischen Grenzgebiet liegt. Zum anderen hat er durch die Farbe Loh mit schwarzem Sattel oder Schwarz mit lohfarbenen Abzeichen eine unverwechselbare Färbung, die bei keiner anderen Schweizer Varietät zu finden, allerdings typisch für den Hubertushund ist, mit dem den Jura Laufhund eine enge Verwandtschaft verbindet. In der Tat nennt man den ursprünglicheren, inzwischen selten gewordenen Typ des Jura Laufhundes "S. Hubert", im Gegensatz zum leichteren, hochbeinigeren Typ Bruno der heute beliebter ist.

1882 erhielten die damals fünf Varietäten des Schweizer Laufhundes einen jeweils eigenen Standard; 1933 wurde dann eine einheitliche Rassebeschreibung für die noch existierenden vier Schläge verfasst, die zuletzt 2001 eine Aktualisierung erfuhr.

Nach der Prüfung folgt die Formwertbeurteilung.

Waren schweizerische Bracken ab dem 15. Jahrhundert bei italienischen Adligen äusserst gefragt und beliebt, sieht die Situation heute ganz anders aus. Eingedenk der vielen Qualitäten des einheimischen Segugio Italiano, der eindeutig zu den am meisten verbreiteten Jagdhunderassen auf dem Stiefel gehört, bestand und besteht recht wenig Interesse, schweizerische Laufhunde oder gar Niederlaufhunde zu importieren, so dass ihre zahlenmässige Verbreitung stets sehr gering geblieben ist. Im Jahr 2006 etwa waren ganze 191 Tiere im Zuchtbuch der ENCI (Verband für das italienische Hundewesen) eingetragen, 2007 waren es 199, die allermeisten von ihnen Jura Laufhunde.
Freilich, die Statistiken des Schweizer Rasseklubs zeigen, dass Laufhunde auch in der Heimat eine eher bescheidene Verbreitung geniessen: 2007 wurden dort 28 Berner geboren, 57 Jura, 29 Luzerner und 25 Schweizer, insgesamt also gerade mal 139 Welpen.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass etwa die Italiener ihre Hunde vorzugsweise in der Meute arbeiten lassen, während die Schweizer meistens Einzelhunde führen. Bei Prüfungen in der Schweiz ist es sogar Pflicht, dass der Hund solo jagt.
Ich fragte den renommierten Jura Züchter Alberto Bagnatica, ob die Selektion in Italien also andere Wege geht als im Ursprungsland, um die Hunde an die abweichenden jagdlichen Bedingungen anzupassen.
Ganz allgemein“, sagt Herr Bagnatica, „muss man feststellen, dass sich die schweizer Rassen in den letzten 20 – 30 Jahren morfologisch etwas verändert, aber in Bezug auf ihren Ausdruck und ihr Verhalten viele Merkmale beibehalten haben, so etwa den typischen, etwas melancholischen Gesichtsausdruck, die Sanftmütigkeit, die hohe soziale Verträglichkeit, die ihnen erlaubt, ganz selbstverständlich in der Familie gehalten zu werden und natürlich ihre Neugier, die Freude, Neues zu entdecken und zu lernen. Für uns, die wir versuchen die Tiere in Italien so weit wie irgend möglich entsprechend dem Standard des Heimatlandes zu züchten, ist es ungemein wichtig, aufmerksam die dort erzielten Verbesserungen der Rassen zu beobachten und das heisst auch, uns nicht von den in der Schweiz erzielten Resultaten zu entfernen.“

Bereit für den Einsatz.

Tatsächlich greifen die italienischen Züchter immer wieder auf Importe aus der Schweiz und Frankreich zurück. Gibt es also keinen Unterschied zwischen den in Italien und der Schweiz selektierten Hunden?
Alberto Bagnatica:"Was die Morfologie der Tiere betrifft folgen wir, wie ich eben sagte, den Vorgaben unserer schweizer Kollegen. Im Hinblick auf den jagdlichen Einsatz hingegen bilden wir die schweizer Rassen so wie unseren Segugio Italiano dazu aus, in der Meute zu arbeiten und sich auf eine bestimmte Wildart zu spezialisieren, nämlich den Hasen oder das Wildschwein. Der Arbeitsstil bleibt davon allerdings weitestgehend unberührt; der typische, sehr stark ausgeprägte Jagdeifer dieser Rassen, ihre Ernsthaftigkeit und unermüdliche Bemühung, ihre Aufgabe zu erfüllen sowie die starke Bindung an den menschlichen Führer, Eigenschaften, die sich bei der Meutejagd noch verstärken, all dies sind Merkmale, die wir unbedingt erhalten wollen und müssen.“
Nun ist es ja mitunter so, dass Jäger, die nicht unbedingt versierte Züchter sind, sich durch scheinbar vielversprechende Kreuzungen den „Superhund“ schaffen wollen. Gerade bei kaum verbreiteten, ausländischen Rassen besteht vielleicht diese Gefahr der „Bastardisierung“ noch mehr. Was hält Herr Bagnatica von solchen Experimenten?
Bei der Zucht muss es Priorität sein, sich mit grösster Genauigkeit an den Standard zu halten, und nicht zu meinen, sich die eigene, persönliche Rasse schaffen zu können, denn damit riskiert man unter anderem die züchterische Arbeit vieler Jahrzehnte zu gefährden oder sogar zu zerstören.“

Bracken-Show, aber gewiss keine Schau-Bracken!

"Ernsthafte Züchter," bemerkte einmal Dr. Gian Carlo Bosio, Laufhundexperte, Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Vereins SIPS (Società Italiana Pro Segugio) und lange Jahre dessen Präsident, "besuchen Ausstellungen und vor allem die Prüfungen regelmässig, um die rassespezifischen Qualitäten ihrer schweizer Laufhunde zu verifizieren. Insbesondere die Meuten, derer es gegenwärtig über das ganze Land verteilt etwa zwanzig gibt, schneiden meistens mit optimalen Ergebnissen bei den Leistungsprüfungen ab."
Ein bisschen Kopfzerbrechen bereiten den organisierten Rassebetreuern in diesem Zusammenhang die Jura Meuten für die Saujagd, denn es besteht seitens der Wildschweinjäger viel weniger Interesse an der „offiziellen Kynologie“ teilzunehmen als bei den „Hasen-Leuten“.
Ein Problem, das es in Italien im Gegensatz zu anderen Ländern nicht gibt, ist die Aufteilung in Schönheits- und Arbeitszucht. Jura Laufhunde werden hier ausschliesslich für den praktischen Jagdeinsatz gezüchtet und sollen, wie im Ursprungsland, schön und leistungsstark sind.
Wenn Neulinge sich dem Jura Laufhund nähern, welche Ratschläge geben Experten wie Herr Bagnatica ihnen mit auf den Weg?
Vor allem den, dass nur gute Ernährung und kontinuierliches Training bewirken, dass die Hunde gesund und immer in Form sind, in jedem Terrain jagen können und auch bei schlechtem Wetter keine Probleme haben. Und natürlich spielt die angemessene Unterbringung eine wichtige Rolle.“
Kontinuierliches Training - das scheint ein wunder Punkt zu sein, denn oft beginnen Jäger erst kurz vor Beginn der Jagdsaison, ihre Hunde überhaupt hinaus ins Gelände zu bringen, so dass von Fitness und Widerstandsfähigkeit nicht die Rede sein kann... Als Entschuldigung wird das Fehlen geeigneter Ausbildungsgebiete oder die zu hohen Kosten für ihre Nutzung genannt.
Schauen Sie, wer es wirklich will, der hat in Italien viele Möglichkeiten, seinen Welpen und Junghund auszubilden, ganz unabhängig von der Rassezugehörigkeit. In der Provinz Brescia zum Beispiel können wir Hunde im Alter von bis zu 15 Monaten zum Üben einfach mit in die Felder nehmen, wo es fast das ganze Jahr über Wild gibt. Mein Bruder und ich bringen unsere jungen Jura Laufhunde dreimal pro Woche in solche Gebiete, damit sie ihre jagdlichen Anlagen entwickeln können. Allerdings immer allein, ohne die erwachsenen Tiere, denn so können wir durch aufmerksame Beobachtung sofort eingreifen, wenn die Junghunde Fehler machen, die zwangsläufig auftreten. Mit 18 Monaten ist der Jura Nachwuchs dann soweit, dass er in die Meute, meist bestehend aus acht Tieren, integriert werden kann. Bei den schweizerischen Laufhunden ist es nach meiner Erfahrung übrigens enorm wichtig, ihre hohe Intelligenz zu stimulieren und ihnen zu erlauben, diese wichtige Eigenschaft perfekt zu entwickeln.“

Züchter und Brackenführer Loris Brunacci mit zweien seiner hier 4 Monate alten Jura Welpen.

Bei den italienischen Jägern ist der Jura Laufhund als exzellenter Helfer bei der Schwarzwildjagd der eindeutige Favorit unter den Schweizer Bracken. Was begeistert sie so an der Rasse?
Grundsätzlich sind die schweizerischen Laufhunde exzellent darin, das Wild aufzustöbern und es unermüdlich und entschlossen zu verfolgen,“ erklärt ein Praxis erfahrener Brackenführer. „Ihre Passion ist beispielhaft und sie geben wirklich alles bei der Arbeit. An der Jura-Meute mit der ich selbst gejagt habe bewundere ich darüber hinaus ihre enorme körperliche und psychische Widerstandsfähigkeit gegen all die tausend Schwierigkeiten, die das Wild, das Terrain und das Wetter den Hunden präsentieren können. Ich muss allerdings gestehen, dass meine Hunde ziemlich dickköpfig waren und sich in den weiträumigen Gebieten, die sie zum Jagen benötigen, mit dem Zurückkommen auch gern mal Zeit liessen.“
Bitter-süss eine andere Erinnerung: „Wir hatten in unserer Gruppe drei Jura Laufhunde, körperlich perfekt und im Einklang mit dem Standard, die, obwohl jeder mit einem anderen Besitzer lebte bei der Jagd als harmonische Meute arbeiteten. Das Trio stöberte die Sauen auf, zwang sie vorwärts, zeigte aber bisweilen zu viel Mut beim Stellen der Wildschweine – wegen ihres Ungestüms mussten wir ihnen mehr als einmal klaffende Wunden zusammennähen... Nach meiner Erfahrung kann der Nachteil dieser Rasse ihr Eigensinn sein; wenn sie einmal ihr Beutetier ausgemacht haben, geben sie nicht auf, was besonders problematisch ist, wenn sie Rehwild aufstöbern. Auch ihre Ausbildung ist nicht unbedingt einfach.“
Die italienische Jagdsaison ist sehr kurz; zum Ausgleich müssen die Hunde an den Jagdtagen dann aber auch wirklich hart arbeiten, und man kann sich leicht vorstellen, dass Tiere, die unter Umständen von Morgengrauen bis Sonnenuntergang jagen, kerngesund und absolut fit sein müssen.
Probleme mit rassespezifischen Krankheiten bei schweizer Laufhunden in Italien sind nicht bekannt. „Auch im Bereich der Fortpflanzung gibt es keine Schwierigkeiten,“ präzisiert Dr. Bosio. „Die Rüden sind deckfähig, die Hündinnen zeigen keine Verhaltensstörungen beim Decken, Werfen und Aufziehen ihrer Welpen und mangelnde Vitalität bei letzteren tritt auch nicht auf. Tatsächlich ist bei den schweizer Laufhunden der Kaiserschnitt völlig unbekannt. Genetisch bedingte Pathologien des Bewegungsapparates treten nur ausnahmsweise einmal auf, während erbliche Augenkrankheiten ganz fehlen. Das Gleiche gilt für die idiopathische Epilepsie.“
Die Schweizer Laufhunde, und damit auch der Jura, scheinen also wirklich rustikale, gesunde Hunde zu sein, denen man dort, wo die echte Brackierjagd noch möglich ist, für die Zukunft eine weitere Verbreitung wünschen kann.

Fotos 3,7,10: Sergio Leonardi; alle übrigen: Loris Brunacci

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